Hannah Arendt hat fast sämtliche ihrer Werke auf Englisch und Deutsch geschrieben – eine Tatsache, die von den meisten Leser*innen selbst in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht vollständig anerkannt wird. Arendts bedeutende Bücher über Totalitarismus, die „Human Condition“, Eichmann in Jerusalem oder die Revolution werden in der Regel behandelt, als wären sie von einer einsprachigen Autorin verfasst worden. Denken ließe sich an literarische Autoren wie Samuel Beckett und Vladimir Nabokov, die in mehreren Sprachen schrieben, während Arendt auf dem Gebiet der politischen Philosophie eine Ausnahme darstellt. Könnte ihr Schreiben in mehr als einer Sprache auch eine bewusste Antwort auf die Aufgabe des politischen Denkens nach der Erfahrung des Totalitarismus sein? 

Thomas Wild wird über Arendts Mehrsprachigkeit vor dem Hintergrund der in Vorbereitung befindlichen Kritischen Gesamtausgabe der Werke Hannah Arendts reflektieren; einer Edition, die erstmals nicht nur alle veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften Arendts in gedruckter und digitaler Form präsentiert, sondern die sie auch in allen Sprachen zugänglich macht, in denen Arendt geschrieben hat. Anhand von Beispielen aus ihren Werken wird Wild danach fragen, wie Hannah Arendt, diese Denkerin der Pluralität, durch ihre Pluralität der Sprachen zu lesen ist.

Thomas Wild ist Professor für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft am Bard College, New York. Ausgewählte Buchveröffentlichungen: Hannah Arendt. Leben, Werk, Wirkung (2006); Nach dem Geschichtsbruch. Deutsche Schriftsteller um Hannah Arendt (2009); Edition von Hannah Arendts Korrespondenz mit Uwe Johnson, Hilde Domin, Joachim Fest; Wolfgang Hildesheimer: 12 Briefwechsel (2016); ununterbrochen mit niemandem reden. Lektüren mit Ilse Aichinger (2021).

Thomas Wild ist einer der Hauptherausgeber der Kritischen Gesamtausgabe.